joi, 4 octombrie 2012

Letzter Ausweg Offshore



Seit zwei Jahren führt Tomas Marutz die Nordseewerke in Emden. Sie sind eine der größten und ältesten Werften des Landes, und Marutz' wichtigste Aufgabe besteht jetzt darin, den "Schiffbau aus den Köpfen zu bekommen".

Kein leichter Job für einen, der über Schiffe redet wie ein Vater über seine Kinder. Der es jedes Mal faszinierend fand, wenn im Dock unter dem ersten Stück Stahl ein Glückspfennig platziert wurde und wenn das fertige Schiff vom Stapel lief. Wer ein Schiff baut, schweiße "nicht bloß Einzelteile zusammen, sondern ein Gesamtwerk", sagt Marutz.

Auf solche Glücksmomente muss Marutz nun verzichten. Auf der früheren Thyssen-Werft werden keine U-Boote und Containerfrachter mehr gefertigt, sondern Windtürme und Stahlfundamente für die Offshore-Windparks vor den deutschen Küsten. Das letzte Containerschiff der Nordseewerke, die "Frisia Cottbus", lief am 11. Dezember 2009 vom Stapel. Es war das Aus für den Schiffbau auf der Werft, das Auftragsbuch war leer. Der Stahlkonzern Siag, der inzwischen insolvent ist, übernahm 2010 den Betrieb, um Zugang zum Meer und damit zum Milliardengeschäft mit den Offshore-Parks zu bekommen.

Die Energiewende ist jetzt nicht nur für die verbliebenen 780 Mitarbeiter der Nordseewerke die letzte Hoffnung. Nach Jahren des Niedergangs steht die deutsche Werftindustrie vor einem entscheidenden Wandel: Sie hat nur eine Zukunft, wenn sie ihre Vergangenheit vergisst. Ihre neuen Auftraggeber sind nicht mehr die Reeder, sondern die großen Strom- und Technologiekonzerne.

Bis 2022 will die Bundesregierung den Ausstieg aus der Atomenergie schaffen, die Windparks auf hoher See sollen bis dahin einen großen Anteil an sauberem Strom liefern. Spezialschiffe und Windtürme werden dafür benötigt, Umspannplattformen, die den Strom bündeln, und Fundamente, die die Stahlkolosse in bis zu 40 Meter Wassertiefe verankern.

Rund 18 Milliarden Euro Umsatz, hat der Werftenverband VSM mit Hilfe der Berater von KPMG ausgerechnet, sind hier für die deutschen Werften bis 2020 zu holen, 6000 Jobs wären damit gesichert. Wie viel Zukunftshoffnung darin liegt, lässt sich an zwei anderen Zahlen ablesen: Seit 1990 ist die Zahl der Arbeitsplätze auf den Werften von 59 000 auf gut 16 000 geschrumpft. Im vergangenen Jahr liefen nur noch 31 Seeschiffe vom Stapel. Gegen die Schiffbaufabriken in Asien, in denen Containerfrachter in Massenproduktion zusammengenietet werden, haben die Deutschen keine Chance.

"Die Aufträge für klassische Schiffe kommen nicht mehr zurück, das ist vorbei in Deutschland", sagt Fred Wegener, Technikchef bei Nordic Yards in Wismar. Im überdachten Dock der Werft riecht es nach geschweißtem Stahl, ein Heer von Arbeitern baut an einem riesigen Stahlkoloss. Es ist ein Herzstück der Energiewende, das hier entsteht, die Umspannplattform "HelWin alpha": gut 35 Meter hoch, über 50 Meter breit, über 12 000 Tonnen schwer, im Innersten zwei gigantische Transformatoren. Die Plattform soll den gesamten Strom des RWE-Windparks "Nordsee-Ost" vor Helgoland an Land schicken. In ein paar Monaten wird das Dock mit gut 200 Millionen Litern Wasser geflutet und die Plattform mit Schleppern auf See gezogen. "Dann werden hier alle tief Luft holen", sagt Wegener.

Der ehemalige Volkseigene Betrieb Mathias-Thesen-Werft hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich, seit er nach der Wende privatisiert wurde. Die Werft hieß mal Aker MTW, mal Wadan. Doch trotz neuer Namen und Besitzer ging es bergab und 2009 in die Pleite. Schließlich kaufte der russische Unternehmer Witalij Jussufow die frühere DDR-Werft und taufte sie "Nordic Yards".

Spezialfähren und eisgängige Schiffe will der Betrieb noch anbieten, Aufträge gibt es dafür aber im Moment nicht. Stattdessen soll Nordic Yards zu einem "Global Player der Offshore-Windindustrie" werden, wie Wegener sagt. Das Schicksal des Unternehmens hängt jetzt daran, dass die Energiewende klappt.

Doch derzeit sorgt die Windindustrie auf hoher See selbst für schlechte Nachrichten. Das politisch gewollte Mammutprojekt entwickelt sich für viele Unternehmen zu einem wirtschaftlichen Fiasko. 

Von den bis 2020 geplanten 10 000 Megawatt auf See sind erst 200 installiert. Zwei Windparks sind komplett in Betrieb, drei weitere im Bau, aber fast alle Projekte hinken dem Zeitplan um Monate und Jahre hinterher. Vor allem der Netzanschluss an Land stockt, weil dem zuständigen Unternehmen Kapital fehlt. Auch bei manchen Windparkbetreibern und Zulieferern wird das Geld knapp, neue Aufträge für die Werften gibt es deshalb kaum.

Nordic Yards ist mit allen drei Plattformen, die derzeit gebaut werden, im Verzug, schuld sind vor allem die aufwendigen Genehmigungsverfahren für den Bau. "Wie komplex das Offshore-Geschäft ist, lernen wir auch erst jetzt", sagt Wegener, es sei "ein Forschungsprojekt, das sehr schnell in der Realwirtschaft ankommen musste". Würde nicht der Siemens-Konzern einen großen Teil des Risikos übernehmen, wäre das Projekt leicht eine Gefahr für die Existenz des Betriebs.

Doch Wegener ist optimistisch: "Solange die Energiewende nicht zurückgedreht wird, ist das Offshore-Geschäft kein Strohfeuer." Am Ende würden die Plattformen und Windtürme doch gebraucht.
Nordseewerke-Chef Marutz sieht ebenfalls keine Alternative. "Wir haben die Brücken abgebaut, es gibt kein Zurück mehr. Wenn es nicht klappt, dann war es das." Er hat den Betrieb umgekrempelt, Schiffe könnten hier nicht mehr gefertigt werden. Denn selbst bei Spezialschiffen, fürchtet Marutz, könnten die Deutschen auf Dauer gegen die Übermacht der Asiaten nicht bestehen.
In der neuen Halle auf dem Betriebsgelände werden jetzt stattdessen Stahlringe mit sechs Metern Durchmesser verschweißt, es sind Einzelteile für einen Windturm. Beim ersten Turm haben die Arbeiter noch einen Glücks-Cent untergelegt, danach nicht mehr. "Wir sind keine Werft mehr", sagt Marutz, "wir sind jetzt ein normaler Industriebetrieb."

52 Monate hatten die Arbeiter früher Zeit, um ein U-Boot abzuliefern; 10 Monate, um einen Frachter zu schweißen. Jetzt soll es hier zugehen wie bei Volkswagen am Fließband. Wenn alles nach Plan läuft, wird bald alle neun Tage ein neues Stahlfundament für einen Windturm aus der Halle geschoben werden. Nur mit Massenware glaubt Marutz die Werft auf Dauer auslasten zu können. Noch aber hinkt die Realität der Planung hinterher. Vor der Halle stehen sechs halbfertige Fundamente, die Dreibeine aus Stahl sehen aus wie aus gigantischen Lego-Steinen gebaut. Von den ersten 19 Fundamenten, die binnen eines Jahres hätten hergestellt werden sollen, sind nur 3 ganz fertig geworden, ein wichtiger Zulieferer hatte Probleme. Für die nächsten 40 Stück, die bis 2013 für den Nordseewindpark "Global Tech 1" ausgeliefert werden sollen, wird die Werft ohne den Zulieferer auskommen. Doch der Finanzplan ist durch die Verzögerung nicht mehr zu halten, wie es nach dem nächsten Jahr weitergeht, ist ungewiss.
Zwar gibt es bereits einen neuen Auftrag, aber die Werft muss dem Kunden garantieren, dass sie während der Bauzeit nicht in Not gerät. Weil der Mutterkonzern Siag insolvent ist, müssten die Banken mit einer Bürgschaft einspringen.

Solche Finanzierungsprobleme hat nicht nur Marutz. Bei den Kreditinstituten haben alle deutschen Werften einen schweren Stand. Die Bonität der meisten Betriebe ist schlecht. Kaum eine große Werft war nicht schon beinahe oder tatsächlich pleite, viele hangeln sich von einer Landesbürgschaft zur nächsten.

Die meist milliardenschweren Offshore-Projekte sind kaum zu kalkulieren, jedes einzelne könnte im schlimmsten Fall die Werft in den Abgrund reißen. Vom Fünf-Milliarden-Euro-Programm, mit dem die staatseigene KfW-Bank die Offshore-Industrie fördert, profitieren bisher nur Windparkbetreiber. Und die Kosten für Bankbürgschaften sind so hoch, dass die Werften bei großen Aufträgen schon mal abwinken müssen.

Jürgen Großmann, bis vor kurzem RWE-Chef, schimpfte unlängst bei der Taufe von zwei Spezialschiffen für die konzerneigenen Windparks, keine deutsche Werft habe ihm die Schiffe für hundert Millionen Euro bauen wollen. Tatsächlich hatten mehrere Werften Interesse. Ihre Angebote waren wegen der Finanzierungskosten allerdings weit teurer - oder sie bekamen die nötigen Bürgschaften erst gar nicht.

Marutz sieht die Dinge nüchtern, aber man merkt ihm die Bitterkeit an. Als sich Deutschland in den fünfziger Jahren entschlossen habe, seinen Strom aus Atomkraft zu gewinnen, "da war die alte Deutschland AG in Aktion", sagt er. Der Staat orderte, finanzierte, ging mit ins Risiko, es gab einen eigenen Atomminister. "Jetzt will der Staat die Energiewende, und das Risiko liegt bei Mittelständlern wie uns."

Die ursprüngliche Offshore-Euphorie der deutschen Werften ist deshalb längst einer eher nüchternen Einschätzung gewichen. Etwa bei der Nobiskrug-Werft in Rendsburg und Kiel: Der Schiffbauer, der seit vier Jahren zur arabischen Abu Dhabi Mar Group gehört, zählt zu den ersten Adressen für Milliardäre. 

Yachten gibt es bei Nobiskrug nicht unter 60 Metern, gern auch mal 100 Meter. Doch Luxusyachten sind ein heikles Geschäft. Kommt ein, zwei Jahre keine neue Order, steht die Werft still. Das Offshore-Geschäft sollte deshalb die zweite, sichere Säule werden.

Im Auftrag von Siemens baut Nobiskrug derzeit eine kleine Plattform für den RWE-Windpark "Nordsee Ost", doch der Bau ist in Verzug. Nach den bisherigen Erfahrungen ist sich Werftchefin Susanne Wiegand sicher: "So, wie diese Branche gerade organisiert ist, wird die Energiewende scheitern." Für die Industrie rechneten sich die Projekte nicht, auch weil es keine eigenen, einheitlichen Standards gebe. Jeder Versorger experimentiere bei jedem Projekt aufs Neue vor sich hin. Die Sicherheitsvorschriften für Windplattformen richten sich zudem bisher nach den strengen Vorgaben für Öl- und Gasplattformen, obwohl auf der Stromplattform Menschen nur gelegentlich Wartungsarbeiten verrichten. "Sicherheit geht immer vor, aber in Teilen sind die Regeln unnötig, ungeeignet, oder sie widersprechen sich. Das macht es horrend teuer und irre kompliziert", sagt Wiegand.

Die volle Kontrolle über den Bau hat die Werft ohnehin nicht, Generalunternehmer für RWE ist Siemens. Der Elektronikkonzern bestimmt, wann welche Firma die Kabel verlegt oder die Lüftung in die Plattform einbaut. Wiegands Lehre aus dem Projekt: "Wir bauen nur noch Plattformen, die wir selbst konstruiert haben und wo wir allein das Sagen haben." Zurzeit entwickelt die Werft mit einem Anlagenbauer ein eigenes Modell, das die Energieversorger direkt bestellen könnten. "Die Werften sind sonst immer das letzte Glied in der Kette. Wir haben gar nicht die Chance zu zeigen, dass wir solche Projekte erfolgreich zu Ende bringen können."

Die Konkurrenz bei Nordic Yards hat deshalb ein eigenes Schiff zum Aufrichten von Windtürmen konstruiert, ganze Windparks will die Werft damit aufstellen. 100 Ingenieure sucht sie dafür gerade. "Wir wollen alles aus einer Hand anbieten können", sagt Wegener. Sein größter Traum aber ist ein ganz simpler: "Dass beim Wort ,Werft' nicht mehr alle an rostigen Stahl denken, sondern an Zukunft."
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Russischen Investor Yusufov ist noch voller Optimismus


Professor Gerald Braun aus der Rostocker Institut für Entrepreneurship und regionale Entwicklung sagt er fühlt sich für den wütenden Schiffbauer im östlichen Deutschland, sondern glaubt, dass sie verfolgt eine verlorene Sache. Er verweist auf die Hunderte von Tausenden von Arbeitsplätzen, die gestrichen wurden in den Schiffbau in Europa seit den späten 1970er Jahren.

Um Überleben zu sichern, würden Wismar und Rostock haben eine Nische für die High-End-und erneuerbare Energien Offshore-Märkte gerecht zu finden, so Professor Braun. Allerdings fühlt er sich, dass es vielleicht schon zu spät sein, um die notwendigen Änderungen erlassen und dass Deutschland hinter Konkurrenten fallen in Taiwan, Südkorea, China und Indien.

Aber Nordic Yards Eigentümer Vitaly Yusufov bleibt zuversichtlich, dass bessere Zeiten vor uns liegen. Er ist optimistisch, dass die eine Ordnung, die er bisher gesichert hat erst der Anfang ist.
Ob sein Optimismus begründet ist am 24. März, wenn eine endgültige Entscheidung aufgrund der Vorfinanzierung der bestellten Tanker erreicht werden soll offenbart werden. Wenn die Banken nicht in der Lage oder nicht willens zu ausreichenden Kreditlinien zu verleihen, ist der Schiffbau in Ost-Deutschland wahrscheinlich zum letzten Mal zu versenken.

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